Die Gesamtschule Waldbröl auf den Spuren des Geisterzugs
Im Internierungslager Le Vernet d’Ariège in Südfrankreich startet Ende Juni 1944 ein Zug vollgestopft über 700 mit politischen Gefangenen, die meisten krank, verkrüppelt und alt. Es war einer der letzten Transporte ins KZ Dachau. 536 kommen an. Etliche sterben, einigen gelingt die Flucht. Gerhard Bökel hat die Geschichte des Geisterzuges geschrieben. Es ist ein Buch über Verbrechen und Widerstand und auch über die deutsch-französische Aussöhnung geworden.
Erinnerung an unsägliches Leid
Gerhard Bökel nimmt seine Leser mit auf seine Recherchen in Frankreich, zu seinen Gesprächen mit Zeitzeugen. Zufällig hatte er im Sommer 2010 in Roquemaure an der Rhone an den Überresten einer zerstörten Brücke eine Gedenktafel für die Opfer des Transportes entdeckt. Weil der Zug wegen der zerstörten Brücke nicht weiterfahren konnte, mussten die über 700 Gefangenen bei glühender Hitze durch die Weinberge nach Sorgues marschieren, das sie am 18. August 1944 erreichten. „Schnell hatte mich das Thema gepackt, und ich wollte einen kleinen Beitrag leisten, um die Erinnerung an das unsägliche Leid der Opfer dieses Zuges und die unfassbare Grausamkeit von Tätern und Kollaborateuren wachzuhalten“, berichtet der Autor.
Am Dienstag, dem 2.10., ACU-Tag an der Gesamtschule, d.h. einem Tag, an dem alle SchülerInnen sich mit wichtigen Themen befassen, die nicht im Curriculum stehen, bekommen die 120 SchülerInnen des 10 Jg. Besuch von Herrn Bökel. Er wird in der Mensa der Gesamtschule 90 min. lang über die ergreifende Geschichte des Geisterzugs und über den Mut der Bevölkerung des Städtchens Sorgues sprechen, die mehreren Gefangenen zur Flucht verhelfen konnten und sie so vor dem KZ-Tod bewahrten.
Die Abschlussfahrt des 10. Jg. geht nach Avignon in Südfrankreich. Neben dem Kennenlernen der Stadt und der Besichtigung des Papstpalastes, einem Tag in der Camargue und am Mittelmeer, einer Kanutour zum Pont du Gard ist gemäß unserem Schulprogramm auch der Besuch einer Gedenkstätte vorgesehen. Das LehrerInnenteam des 10. Jg. hat entschieden, statt eines Museumsbesuchs einer echten deutsch-französischen Begegnung den Vorzug zu geben: So werden die Waldbröler GesamtschülerInnen am kommenden Mittwoch im Städtchen Sorgues vor dem Geisterzug-Denkmal mit Herrn Bökel, mit dem Bürgermeister von Sorgues sowie mit Charles Teissier, dem letzten Zeitzeugen des 18. August 1944 zusammentreffen und ins Gespräch kommen.
Bei der Vorbereitung auf diese Begegnung muss auch die Frage gestellt werden ‚Was hat der Geisterzug mit uns zu tun?‘ ‚Was können wir tun, damit Geschichte sich nicht wiederholt?‘ Sicher werden unsere SchülerInnen darauf eine Antwort wissen – die Leit-Hand als Devise für das Zusammenleben in der Schule ist in den Köpfen präsent und wird immer wieder durch schulische Aktionen gegen Rassismus und Fremdenhass in Erinnerung gebracht, zuletzt durch unsere Fensterdemo vom September.