Autorenlesung und Gedenkstättenfahrt für die 10. Klassen der Gesamtschule Waldbröl
Waldbröl/Sorgues – Eine besondere Art des Gedenkstättenbesuchs erlebten 120 Schülerinnen und Schüler mit ihren 9 Lehrerinnen und Lehrer auf ihrer Abschlussfahrt in die Camargue.
Bereits in der Vorwoche hatte Gerhard Bökel, ehemaliger hessischer Innenminister, die Schule besucht und aus seinem neuesten Buch vorgelesen. Das Buch beschäftigt sich mit dem „Geisterzug“, einem der letzten Transporte aus dem Internierungslager „Le Vernet d’Ariège“ in Südfrankreich in das KZ Dachau 1944.
Der Autor, der heute in Frankfurt/Main und im französischen Avignon lebt, nahm seine jungen Leser mit auf seine Recherchen in Frankreich, zu seinen Gesprächen mit Zeitzeugen. Zufällig hatte er im Sommer 2010 in Roquemaure an der Rhone an den Überresten einer zerstörten Brücke eine Gedenktafel für die Opfer des Transportes entdeckt. Weil der Zug wegen der zerstörten Brücke nicht weiterfahren konnte, mussten die über 700 Gefangenen bei glühender Hitze durch die Weinberge nach Sorgues marschieren, das sie am 18. August 1944 erreichten. „Schnell hatte mich das Thema gepackt, und ich wollte einen kleinen Beitrag leisten, um die Erinnerung an das unsägliche Leid der Opfer dieses Zuges und die unfassbare Grausamkeit von Tätern und Kollaborateuren wachzuhalten“, berichtet der Autor.
In der Camargue trafen die Schülerinnen und Schüler auf ihrer Abschlussfahrt an der zerstörten Brücke erneut auf Bökel. Gemeinsam reisten die Jugendlichen mit dem Autor weiter nach Sorgues. Dort erwarteten die Gruppe der letzte verbliebene Zeitzeuge Charles Teissier und einige Mitglieder der Amicale des Déportés, der Vertreter des Bürgermeisters und die Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins, um gemeinsam an die Ereignisse vom 18. August 1944 in Sorgues zu erinnnern. Das mutige Handeln der Bevölkerung gegenüber den deutschen Soldaten hatte damals viele Gefangene vor dem Verdursten bewahrt und ca. 30 Gefangenen zur Flucht verholfen.
Nach einer Kranzniederlegung vor dem Deportierten-Denkmal präsentierten die 11 Französisch-SchülerInnen des Jahrgangs ein kurzes Schulporträt in Französisch und Deutsch, das von einem Journalisten des Radiosenders FranceBleu – Vaucluse mitgeschnitten wurde. Das Porträt thematisierte die Aufgabe der jungen Generation, das Geschehene nicht zu vergessen, auch wenn weder Schüler- noch Lehrergeneration den Krieg erlebt haben. An der Gesamtschule Waldbröl wird täglich tolerantes Zusammenleben zwischen SchülerInnen verschiedener Herkunftsländer geübt, gemäß den Prinzipien der Leithand, die die Grundlage der pädagogischen Arbeit abbildet. Beim Abschied bekräftigte Monsieur Teissier den Wunsch, auch in der Zukunft Waldbröler Schülergruppen zu empfangen, um die deutsch-französische Freundschaft zu bestärken.